2022 ist noch jung – doch trotz Neuanfang tragen wir manche Altlast aus der Vergangenheit mit. Alle sehnen sich nach einem Ende der Pandemie. Viele sind in Sorge, was die Zukunft uns bringen wird.
Wie den Herausforderungen zu begegnen ist, die uns erwarten, das wiederum wird unterschiedlich beurteilt. Und gerade mit dieser Unterschiedlichkeit, von manchen gar als beginnende Spaltung der Gesellschaft benannt, müssen wir umgehen.
Von der Möglichkeit zu demonstrieren machen einige Menschen Gebrauch. Es ist ein Schatz unserer demokratischen Gesellschaft, dass es Menschen erlaubt ist, frei ihre Meinung und so auch ihre Sorgen und Nöte zu äußern.
Allerdings kann es passieren, dass sich durch Demonstration und Gegendemonstration harte Fronten bilden, die eben tatsächlich eine Spaltung der Gesellschaft provozieren.
Denkt daran, liebe Brüder und Schwestern: Seid sofort bereit, jemandem zuzuhören; aber überlegt genau, bevor ihr selbst redet. Und hütet euch vor unbeherrschtem Zorn! Denn im Zorn tun wir niemals, was Gott gefällt. (Jak 1,19f - HfA)
Es beginnt schon im Kleinen: Beim Streit mit meiner Freundin will ich gerne mit meiner Position überzeugen. Dabei fällt es mir manchmal schwer, mich auf Ihre Sichtweise einzulassen und ihr aufmerksam zuzuhören. Doch: Da mir unsere Freundschaft wichtig ist, nehme ich mich ein Stück weit zurück, höre, nehme wahr und versuche zu verstehen – um dann gemeinsam einen guten Weg für uns beide zu finden.
Im Großen gestaltet es sich noch schwieriger: Die mir fremde Person teilt nicht meine Meinung. Im Gegenteil - unsere Positionen sind ganz konträr und scheinen nicht zusammen zu passen. Dort auch da ist es, um der Frontenbildung entgegenzuwirken, wichtig, sich gegenseitig zuzuhören. So hat sich der Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt diesen klugen Rat aus dem Jakobusbrief zum Anlass genommen, ein Projekt unter dem Namen „Wir müssen reden“ ins Leben zu rufen.
Ziel dieser Aktion ist es, Menschen unterschiedlicher Meinungen miteinander ins Gespräch zu bringen. Interessierte können sich per Mail mit Namen und der Antwort auf drei Fragen anmelden. Sie werden dann von den Mitarbeitenden einer zweiten Person zugeteilt, die explizit eine andere Meinung hat. Dann können diese beiden Menschen sich miteinander verabreden. Entweder zu schriftlichem Austausch, zum Telefonieren oder auch zu einem Spaziergang. Dabei soll es nicht Ziel sein, den anderen von der eigenen Meinung zu überzeugen, sondern es geht vielmehr ums Zuhören.
Das Gespräch und der Austausch mit Menschen anderer Meinung öffnet unseren Horizont. Dies beginnt im Kleinen in meiner Familie und meinem Freundeskreis. Und mein Horizont kann noch weiter ausgeweitet werden, wenn ich mich auch mit fremden Menschen und Meinungen ehrlich, offen und ernsthaft auseinandersetzen. Es ist wichtig für unsere Gesellschaft, dass wir uns für respektvollen Dialog einsetzen und uns mit Achtung begegnen.
Franziska Oberheide, Pastorin in Corvinus