
Zwei Wochen vor der Bundestagswahl rufen die evangelischen und katholischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen erstmals gemeinsam zur Teilnahme an der Wahl auf. Auch die ehrenamtlichen Vorsitzenden vieler Leitungsgremien der Kirchen unterstützen das Votum. Seit Anfang Januar läuft eine gemeinsame Kampagne der Kirchen zur Bundestagswahl unter dem Motto „Für dich: Mit Herz und Verstand“. Daran angelehnt appellieren die Kirchenvertreterinnen und -vertreter an „alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, ihr Wahlrecht auszuüben und mit Herz und Verstand demokratisch zu wählen“. Ausdrücklichen Dank richten die Kirchen an die Kandidierenden der demokratischen Parteien, die sich für den Bundestag zur Wahl stellen.
Die weltweiten Herausforderungen wie Gewalt, Krieg, Flucht und Armut „fordern uns heraus“, schreiben die Kirchen. Um sie zu bewältigen, „bedarf es eines kritischen Dialogs mit allen demokratischen Kräften“, um zu „konsensualen Lösungen“ zu kommen. Es gehöre zur Demokratie, die „Themen der Bürgerinnen und Bürger, ihre Kritik und Zweifel ernstzunehmen“, so die Kirchen. Menschen brauchten „Vertrauen in diejenigen, die politische Verantwortung tragen oder neu nach der Wahl übernehmen werden.“
Die Kirchen rufen dazu auf, bei der Wahl „Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt“ zu beachten. Nächstenliebe sei mehr als Anerkennung und Achtung. „Es geht um Sympathie und Mitgefühl für viele und damit ein Handeln, das dem Nächsten mehr als das gibt, was sein gutes Recht ist.“ Weiter rufen die Kirchen dazu auf „die Würde der Menschen zu achten und den Schutz der Umwelt und des Klimas voranzutreiben“. Eine besondere Verantwortung müsse in Zukunft „den Bedürfnissen junger Menschen“ gelten. Es gelte, „alle Anstrengungen zu unternehmen, den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen.“
Um der zunehmenden Ausgrenzung und Abwertung in der Gesellschaft zu begegnen, brauche es einen breiten gesellschaftlichen Dialog an unterschiedlichen Orten, der „ehrlich, offen und kompromissbereit geführt wird“, fordern die Kirchen. Daraus könnten dann „gemeinsam getragene Lösungen“ entstehen.
Der vollständige Text des Aufrufs:
Erklärung der Bischöfe und Leitenden Geistlichen Niedersachsen-Bremen zur Bundestagswahl
„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1,7)
Die Bistümer und evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen setzen sich mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl gemeinsam für Menschenwürde, Nächstenliebe und den gesellschaftlichen Zusammenhalt ein. Das bedeutet für uns den gemeinsamen Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Sorge für die, die in ihrem Leben Unterstützung brauchen.
Die weltweiten Herausforderungen wie Gewalt, Krieg, Flucht und Armut fordern uns heraus. Sie zu bewältigen, bedarf es eines kritischen Dialogs mit allen demokratischen Kräften und der Bereitschaft dieser, zu konsensualen Lösungen zu kommen.
Wir beten für das Gelingen dieses demokratischen Prozesses.
Für alle: Menschen wahrnehmen, respektieren und Nächstenliebe üben
Menschen fühlen sich mit ihren Sorgen, Bedürfnissen und Erwartungen nicht wahrgenommen. Sie befürchten, keinen Weg zu finden, sie in den politischen Meinungsaustausch einzubringen und fühlen sich gesellschaftlich an den Rand gedrängt.
Es gehört zur Demokratie, die Themen der Bürgerinnen und Bürger, ihre Kritik und Zweifel ernstzunehmen. Dabei zählt in der Demokratie jede und jeder Einzelne. Menschen brauchen Vertrauen in diejenigen, die politische Verantwortung tragen oder neu nach der Wahl übernehmen werden. Nächstenliebe ist mehr als Anerkennung und Achtung. Es geht um Sympathie und Mitgefühl für viele und damit um ein Handeln, das dem Nächsten mehr als das gibt, was sein gutes Recht ist.
Für alle: die Würde der Menschen achten und den Schutz der Umwelt und des Klimas vorantreiben
Vielen Menschen fehlt der Zugang zu Gütern, die für ein gelingendes Leben notwendig sind: sie leiden unter Gewalt, Armut und Ungerechtigkeit. Die Folgen der Klimaveränderungen und der Zerstörung der natürlichen Umwelt erfahren Menschen immer dramatischer und lebensbedrohlicher.
Die Menschenwürde und die Menschenrechte sind weltweit zu achten und allen zu gewähren. Die Rechte und der Schutz von Umwelt und Natur sind konsequent weiterzuentwickeln und umzusetzen.
Das bedeutet den Einsatz für die, die unsere Begleitung und Unterstützung hier bei uns und weltweit brauchen, damit sie selbstbestimmt leben können. Eine besondere Verantwortung gilt den Bedürfnissen junger Menschen, sie mit Nahrung, medizinischer Hilfe, Bildung und Teilhabemöglichkeiten gut zu versorgen sowie alle Anstrengungen zu unternehmen, den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen.
Für alle: gemeinsam mit allen die Gegenwart und Zukunft gestalten
Menschen sorgen sich um ihre persönliche Zukunft, ob
sie genug zum Leben haben, Gestaltungsspielräume und Teilhabemöglichkeiten bekommen. Es kommt zunehmend in unserer Gesellschaft zu Ausgrenzung und Abwertung.
In unserem Land brauchen wir einen breiten gesellschaftlichen Dialog an unterschiedlichen Orten, der ehrlich, offen und kompromissbereit geführt wird. Daraus entstehen gemeinsam getragene Lösungen. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind nachbarschaftliches Kümmern und ehrenamtliches Engagement unverzichtbar. Aus der Haltung der Nächstenliebe heraus können Menschen Orientierung, geschützte Räume, Zufriedenheit und Sicherheit gewinnen.
Wir danken allen Vertreterinnen und Vertretern der demokratischen Parteien, die sich für den Bundestag zur Wahl stellen. Wir bitten alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, ihr Wahlrecht auszuüben: für alle mit Herz und Verstand demokratisch zu wählen.
Wir vertrauen in unserem Reden und Handeln auf Gott und bitten um seinen Segen: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1,7)