Hau drauf!? - 18.10.2025
Wie einfach es doch ist, Gewalt anzuwenden, lernt man schon als Jugendlicher auf dem Schulhof. Da mag man heute gerne über Gewalt an Schulen klagen, aber sein wir Älteren mal ehrlich: War es früher wirklich anders? Dabei ist die Option, sich mittels Körperkraft gegen einen Angriff wehren zu können außerhalb eines staatlichen Gewaltmonopols manchmal die einzige. Selbst unser Strafgesetzbuch sieht dieses unter gewissen Umständen als Rechtfertigungsgrund an. Und gehört es nicht auch zu unserer Natur, körperlich zu sein? Kleine Kinder, ob Jungen oder Mädchen, fangen ganz ohne erzieherisches Zutun an, sich zu balgen und zu rangeln. Wer mag wohl stärker sein, wer unterliegen? Psychologen sind sich einig, dass dieses Verhalten im Rahmen einer normalen Entwicklung wertvoll ist. Uns Erwachsenen obliegt es dann, darauf zu achten, dass das Ganze nicht aus den Fugen gerät. Kinder schauen sich bei anderen nämlich schnell böse Dinge ab. Und Nachtreten gehört nicht zu diesem Spiel, das an Regeln gebunden ist. Auch das Verlieren können ist Teil der Übung, die meist zu zweit ausgetragen wird. Wer einmal bei einem Stadtfest in Wunstorf die Vorführung eines Kampfsportvereins beobachtet hat, mag erfahren haben, welch klarem Regelwerk diese Sportarten unterliegen. Das Ziel liegt darin, dass aus einer Option keine Einbahnstraße wird.
Selbst die Bibel verschweigt das Vorhandensein des kraftvollen Dreinschlagens nicht. Im Lukasevangelium, Kapitel 22 spitzt sich Jesu Leidensgeschichte zu: Der Verrat des Judas, das Abendmahl mit Nachgespräch und der Option der Waffengewalt, Jesu Gewissenskampf im Garten Gethsemane und seine Gefangennahme. Die meisten von uns werden die Geschichte kennen: Die Häscher der Hohenpriester betreten von Judas geführt die Szene. Judas verrät Jesus durch einen Kuss, ein Zeichen der Liebe. Jesus fragt ihn, ob das wirklich sein Ernst sei. Die Situation wird brenzlig. Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen? Und einer tuts; schlägt dem Landsknecht ein Ohr ab. Da sprach Jesus: Lasst ab! Nicht weiter! Und er rührte sein Ohr an und heilte ihn. So heißt es.
Jesus ruft eben nicht: Hau drauf! Bei aller Gefahr lässt er innehalten, heilt die Wunden des Angreifers öffnet eine Tür für ein Morgen in Miteinander. Auch wenn es bedeutet, dass er alles verliert. So geschehen im Nahen Osten; damals, heute und morgen. Nur so kann Frieden einziehen. Wünschen wir uns das nicht auch?
Ihnen ein schönes Wochenende.
Holger Kipp, Prädikant im Kirchenkreis