Ihre Oma war eine elegante Frau gewesen. Obwohl sie gleichzeitig immer ein sehr bescheidenes Leben geführt hatte.
Bis ins hohe Alter hatte sie sich selbst die Kleider genäht.
Und war immer von einem besonderen Duft umgeben.
Gutes Parfüm hatte sie geliebt und sich gegönnt, obwohl es sonst nicht viel Luxuriöses gab in ihrem Leben.
In ihrem Kleiderschrank hatte sie immer einige Stücke dieser besonderen Seife gehabt. Und deshalb auf eine ganz bestimmte Art geduftet.
Wenn sie ihre Oma in den Ferien besuchte, dann bekam sie so ein Stück von dieser Seife geschenkt. Für den eigenen Kleiderschrank. Und als ihre Oma dann gestorben war, da bekam dieser Duft noch einmal eine ganz besondere Bedeutung.
Als sie ihren Kleiderschrank öffnete: Da wurde das Haus erfüllt vom Duft.
Und Oma war ganz nah – fast ein bisschen so, als käme sie aus dem Kleiderschrank hervor und würde sie umarmen.
Sechs Tage vor dem Passafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den Jesus auferweckt hatte von den Toten. Dort machten sie ihm ein Mahl und Marta diente bei Tisch; Lazarus aber war einer von denen, die mit ihm zu Tisch saßen. Da nahm Maria ein Pfund Salböl von unverfälschter, kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu; das Haus aber wurde erfüllt vom Duft des Öls. (Joh 12,1-3*)
Da hocken sie zusammen. In einer schweren Zeit. Gerade haben die Oberen beschlossen, Jesus vor Gericht zu stellen. Die Todesstrafe soll er bekommen.
Nun sitzt er bei seinen Freunden am Tisch. Im kleinen Kreis. Marta kocht das Essen. Lazarus und Jesus sprechen über dies und das. Vielleicht sind noch ein, zwei andere dabei. Die Stimmung ist ein bisschen gedämpft, als ob alle ahnen, und zugleich nicht richtig wissen: Da ist eine Bedrohung. Wie wird es weitergehen? Und so rücken sie zusammen, da in der kleinen Hütte. Mit einem mulmigen Gefühl.
Und dann kommt Maria. Öffnet die Flasche. Kniet sich auf den Boden. Das Haus ist erfüllt von köstlichem Duft. Alle riechen es. Atmen tief ein.
Ein Duft der Hoffnung und des Friedens, der für diesen Moment das Haus durchzieht.
Jetzt im Herbst liegen die Nebelschwaden auf den Feldern. Es ist spürbar: Das Jahr neigt sich dem Ende. Auch an goldenen Oktobertagen riecht die Luft ein wenig klamm und frostig. Welch kostbare Momente – denke ich.
Franziska Oberheide, Pastorin der Corvinus – Gemeinde in Wunstorf