Wann hat Sie das letzte Mal jemand so richtig überrascht? Der Kollege, von dem eigentlich keine Hilfe zu erwarten war und der Sie dann völlig uneigennützig bei einer schwierigen Aufgabe unterstützt hat. Die Nachbarin, die Ihnen immer so abweisend vorkam und die eines Tages vor Ihrer Haustür stand und sich nach Ihrem Befinden erkundigte, weil sie Sie schon seit Tagen nicht draußen gesehen hatte. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir geben solche positive Überraschungen Auftrieb im Alltag. Eine Überraschungsgeschichte aus der Bibel erzählt Jesus seinen Zuhörern und Zuhörerinnen. Er will deutlich machen, wie Gott mit uns Menschen umgeht: Ein junger Mann verlangt frühzeitig sein Erbe vom Vater, verprasst dieses und landet mittellos auf der Straße. Nach längerem Ringen – sicher auch mit seinem eigenen Stolz – traut er sich, zu seinem Vater zurückzukehren. Er erwartet nichts Gutes, will lediglich um Arbeit bitten, um wieder auf die Beine zu kommen. Doch es kommt ganz anders: Der Vater empfängt ihn mit offenen Armen und richtet ein großes Fest für ihn aus, weil seine Freude über den verloren geglaubten Sohn so groß ist. Für den Sohn ist das eine riesige Überraschung: Der Vater steht da mit offenen Armen. Umkehr und Veränderung ist möglich – im Verhältnis zwischen Menschen, aber auch im Verhältnis zu Gott. Dann, wenn wir das Gefühl haben, in die Irre gelaufen zu sein, falsche Entscheidungen getroffen oder anderen Unrecht getan zu haben. Überraschen wir einander in dem vor uns liegenden Sommer: mit positiven Signalen, mit freundlichen Worten und Gesten, die nicht aus- und abgrenzen, sondern Gemeinsames suchen und betonen – über alles Trennende hinweg. Das kann jeder und jede gebrauchen. Und lassen wir uns überraschen – von unseren Mitmenschen, von Gott auch: Da, wo er nicht für möglich gehaltene Neuanfänge ermöglicht. Wo sich Wege eröffnen, die ich noch gar nicht im Blick hatte. Wo Beziehung entsteht, wo vorher nur Leere und Sprachlosigkeit war. Ich wünsche Ihnen einen offenen Blick und ein offenes Herz für solche Überraschungen. Damit es ein gesegneter Sommer wird.
Nikola Lenke, Pastorin am Hölty-Gymnasium und in der Kirchengemeinde Idensen-Mesmerode