„Wo feiern wir in diesem Jahr Heiligabend?“ Diese Frage kann zur Zerreißprobe werden. „Lieber bei deiner Familie? Oder bei meiner?“ Sich zu entscheiden fällt schwer. Sich zu einigen manchmal auch. Wer wagt es schon und sagt: „Ich mag nicht wieder so feiern wie all die letzten Jahre!“ Wir alle sind es das ganze Jahr über, 365 Tage, gewohnt zu funktionieren, um unser Leben in den Griff zu bekommen. Wir sagen schon manchmal: „Nein! Ich möchte das alles nicht!“, und wir tun es dann doch.
Wen wundert es, wenn dann zu Weihnachten ein absolutes, großes Rundum-Nein aus uns herausbricht? „Wie bitte? Du willst nicht …?“ In einer uns permanent überfordernden Welt kommen wir an einen Punkt, wo wir mit den Anforderungen nicht mehr zurechtkommen. Wir müssen zu so vielem Ja sagen. Und wir wissen nicht mehr, wie wir freundlich Nein sagen. Weihnachten sensibilisiert. Da kann es passieren, dass wir aufschrecken, weil wir vor lauter Funktionieren das Leben aus den Augen verloren haben.
Jesus sagt: Eure Rede aber sei Ja, ja; Nein, nein. Was darüber ist, das ist von übel. Diese Worte aus der Bergpredigt (Matthäus 5,37) beschreiben eine wichtige Lebenskunst. Wir müssen Ja sagen und Dinge tun, um zu leben. Und wir müssen Dinge lassen und Nein sagen, ebenfalls auch, um leben zu können. Das zu unterscheiden, ist eine wahre Weihnachts-Kunst. Wir basteln daran unser Leben lang. Vielleicht beginnen wir ganz schlicht, etwas gnädiger zu reagieren. Etwa, wenn ein uns lieber Mensch mühsam das Nein-Sagen übt und dazu vielleicht auch einmal eine Notlüge benötigt. Schließlich will er keinen verletzten. Zu Weihnachten üben wir uns ein ins Gnädig-Sein.
Zu den Hirten, die Tag und Nacht auf dem Felde funktionieren mussten, sprach Gott in der Nacht: „Das Kind dort im Stall: Das ist mein großes Ja zu euch!“ Da riefen die Hirten: „Nein!“ zum Funktionieren. Und sie liefen zum Stall. Ein großer Lebensschein umhüllte sie. In der Bergpredigt spricht Jesus über unseren Weg zum Frieden. Im Großen wie im Kleinen braucht Frieden unser klares Ja und unser klares Nein. Der Maßstab, wann wir Ja oder Nein sagen, ist die Gnade. Was Gnade mehrt, das sollt ihr tun! Mit Christus im Herzen entstehen Orte der Gnade. Aus ihnen erwächst eine gnädigere Welt. Gott wird groß machen, was klein beginnt.
Tilman Kingreen, Pastor in Hannover und Wunstorf