„Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ (1. Petrus 5,5 – Wochenspruch für Kalenderwoche 36)
In einer Welt, die laut ruft: „Sei stark, sei erfolgreich, sei jemand!“, klingt Demut wie ein leises, fast altmodisches Wort. Aber: Ich erlebe, dass gerade in dieser Ruhe eine Kraft liegt, die mein Leben verändert.
Demut ist wie ein Schlüssel – denn sie macht uns empfänglich für Gnade – die unverdiente Liebe Gottes, die nicht auf Leistung schaut, sondern auf die Bereitschaft, sich hinzugeben und leiten zu lassen. Hochmut – das Gegenteil zur Demut – verschließt das Herz. Hochmut lebt aus dem Anspruch, alles selbst im Griff zu haben, und verkennt, dass wahre Größe im Loslassen liegt.
Letzte Woche im Büro: Die Kaffeemaschine war mal wieder leer. Er hatte es eilig, der Kalender voll, die Laune mittelmäßig. Und trotzdem stand er da – und füllte Wasser nach, wechselte den Filter, wischte die Tropfen weg. Niemand hat’s gesehen. Niemand hat „Danke“ gesagt. Aber er fühlte sich wie der heimliche Held der Kaffeekultur. Demut heißt manchmal: Dinge tun, die keiner merkt – und dabei nicht heimlich hoffen, dass jemand es doch noch merkt. Und sich für sich selbst daran freuen, dass der Kaffee danach besser schmeckt.
Demut bedeutet nicht, sich klein zu machen oder sich selbst zu verleugnen – so Annette Behnken in ihrem Buch „Demut. Hymne an eine Tugend“. Demut ist eine Haltung, die uns erlaubt, „zu augenscheinlich unbedeutenden Dingen emporzusehen“. Es ist der Mut, sich selbst nicht zum Mittelpunkt zu machen, sondern sich für eine größere Sache einzusetzen – sei es sich in den Dienst der Gemeinschaft, der Wahrheit oder Gott selbst zu stellen.
Behnken schreibt, dass Demut eine „verloren geglaubte Haltung“ ist, die befreit. Sie ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von innerer Größe. Wer demütig lebt, lebt aus der Tiefe – nicht aus der Oberfläche.
Vielleicht ist es Zeit, dieser Tugend wieder Raum zu geben. Nicht als moralische Pflicht, sondern als Einladung: Zur Gnade, zur Freiheit, zur echten Begegnung mit Gott.
Pastorin Franziska Oberheide, Corvinus Wunstorf