Alle Jahre wieder. Nein, das ist noch keine Anspielung auf Weihnachten, sondern alle Jahre wieder feiern wir das Reformationsjubiläum. War das denn nicht 2017? Ja, aber 2017 haben wir den Thesenanschlag von 1517 zum Anlass genommen, 500 Jahre Reformation zu feiern. Und danach sind wir zur Tagesordnung übergegangen. Dabei war mit dem Thesenanschlag noch nichts entschieden. Martin Luther selbst hatte mir dem gewaltigen öffentlichen Echo auf seine Thesen gar nicht gerechnet, aber plötzlich brachen alle Dämme und niemand wusste, worauf das am Ende hinauslaufen würde. Die Ereignisse überschlugen sich, so dass wir nun jedes Jahr auf etwas Besonderes zurückblicken können. Wichtige Disputationen wurden gehalten, Luther verfasste seine drei Hauptschriften (an den christlichen Adel, von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche, von der Freiheit eines Christenmenschen), der Reichstag zu Worms fand statt mit dem Bannspruch gegen Luther („Hier stehe ich, ich kann nicht anders“), die Übersetzung des Neuen Testamentes auf der Wartburg und Luthers Rückkehr nach Wittenberg. Das alles geschah in den Folgejahren und die Reformation breitete sich immer weiter aus in Europa. Euphorie lag genauso in der Luft wie Besorgnis, weil die sogenannten altgläubigen Fürsten bereits mit den Säbeln rasselten. Und was passierte 1524, also vor 500 Jahren, was es diesmal zu feiern gibt? Da tagt zum Beispiel der Reichstag zu Nürnberg, wo sich etliche Fürsten und Vertreter der Städte standhaft weigern, der Reformation Einhalt zu gebieten. Luther verfasst wichtige Schriften zum Aufbau des Schulwesens und für eine gerechte Preisgestaltung gegen Monopolbildung. Aber das wichtigste Ereignis ist sicher das erste evangelische Gesangbuch, das gedruckt wird. Es ist das Acht-Liederbuch, dem alsbald größere Liedsammlungen folgen. Luther liebte die Musik und schätzte sie als wunderbare Gabe Gottes. Und er wusste, dass im Lied Text und Melodie ineinandergreifen, sich verstärken und ins Herz gehen, noch einmal ganz anders als bei gesprochenen Texten. Ohne das Lied hätte die Reformation kaum zum Erfolg geführt. Was für uns heute selbstverständlich ist, war damals eine Revolution. Vorher war es der Gemeinde nahezu nicht erlaubt, im Gottesdienst zu singen. Jetzt wurde es möglich. Aber dazu brauchte man Lieder. Luther selbst hat uns viele Lieder hinterlassen, hat komponiert und gedichtet. „Alle Jahre wieder“ stammt nicht aus seiner Feder, aber „Vom Himmel hoch“ als Weihnachtslied, „Nun komm der Heiden Heiland“ als Adventslied und weitere Lieder zum Kirchenjahr. „Nun freut euch, liebe Christengmein“ erzählt von der Erfahrung, durch Jesus Christus aus dem Gefängnis von Schuld und Verzweiflung erlöst worden zu sein. Und dann singen wir alle Jahre wieder am 31.10. natürlich die „Marseillaise“ der Reformation: das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“, eine Vertonung nach Psalm 46. Dies hat den Menschen immer wieder Mut gemacht in schweren Zeiten. „Die Musik vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich“, hat Luther mal gesagt. Wie wahr!
Wiebke Dankowski, Pastorin in Dedensen-Gümmer