Mit ihrer Unterschrift haben der Bürgermeister der Stadt Wunstorf, Rolf-Axel Eberhardt (CDU), und der Präsident der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Burkhard Guntau, Geschichte geschrieben: Nun ist der Vertrag zur ersten evangelischen Integrierten Gesamtschule in Niedersachsen besiegelt. Mit Beginn des neuen Schuljahres im August 2011 wird die bestehende staatliche Gesamtschule in Wunstorf in kirchliche Trägerschaft übernommen. Die Kosten für die Sanierung und Erweiterung des bestehenden Schulgebäudes von insgesamt € 14,5 mio. wird die Stadt Wunstorf tragen. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers will sich mit 1,4 Millionen Euro beteiligen. Dem Kultusministerium liegt nun der Genehmigungsantrag vor.
Präsident Burkhard Guntau machte deutlich, dass eine solche Schule nur eingerichtet würde, wenn alle Beteiligten dafür sind, und verwies darauf, dass an anderen Orten Verhandlungen aus diesem Grund schon abgebrochen worden seien. Es gehe schließlich nicht darum Missionsschulen zu errichten, sondern für das Allgemeinwohl einzutreten, trat er anderen Vorurteilen entgegen. Er nannte die Aufforderung des Propheten Jeremia „Suchet der Stadt Bestes.“ Deshalb sei für ihn, „Freiheit in Verantwortung zu verstehen, wahrzunehmen und zu lernen, das Ziel einer solchen Schule.“ So sei der Reformator Martin Luther mit seinem Bildungsideal ein Begründer des Volksschulwesens in diesem freiheitlichen Sinne. „Diese IGS in kirchlicher Trägerschaft ist ein ergänzendes Angebot, das man wahrnehmen kann, aber nicht wahrnehmen muss,“ fügte Präsident Burkhard Guntau hinzu.
Für den Bürgermeister Rolf-Axel Eberhardt ist die Schule in neuer Trägerschaft „das Beste, was unserer Stadt passieren kann“. Schon die langjährige Zusammenarbeit im Bereich der Kindertagesstätten und der Krippen habe gezeigt, dass die Kirche ein zuverlässiger und verantwortungsvoller Partner zum Wohle der Kinder sei. Zwar habe er im Rat der Stadt Wunstorf viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, verschwieg der Bürgermeister auch die Bemühungen im Vorfeld nicht, doch habe sich so der politische Wille für eine IGS in Wunstorf am Besten umsetzen lassen. Schließlich habe es bei 41 Ratsmitgliedern nur drei Gegenstimmen gegeben. Darin werde die fraktionsübergreifende Akzeptanz deutlich, schloss Bürgermeister Rolf Axel Eberhardt den Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des Vertrags ab.
Für die Eltern der künftigen IGS Schüler hat dieser Schritt viele Vorteile, hoben beide Vertragspartner im Pressegespräch hervor:
- das verpflichtende Ganztagsangebot, das vom Land Niedersachsen so noch nicht verabschiedet ist;
- die Einrichtung einer Oberstufe, die Planungssicherheit gibt;
- die Qualität der Ausstattung der Schule, die z.B. auch in kleineren Klassen zum Tragen komme;
- die klarer kalkulierbaren Kosten, da in den € 45 Schulgeld/ Monat die Kosten für Schulbücher enthalten sind;
- die Wahrung der Privatsphäre, da Anträge zur Kostenminderung oder Aussetzung des Schulgeldes beim Schulwerk der Evangelischen Landeskirche und nicht direkt vor Ort gestellt werden;
- die klare interreligiös-kommunikative Ausrichtung, da ein Modellversuch mit Islamischem Religionsunterricht in den Klassen 5 bis 10 als Pilotprojekt geplant ist.
Auch die Elternvertreterinnen, Christiane Langer und Monika Bring-El Rasheid zeigten sich erfreut, dass mit diesem weiteren Partner die Pläne für eine Integrierte Gesamtschule schnell umgesetzt werden könnten.
Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track betonte: "Der Dialog der Religionen soll an einem klaren Ort unter Schülerinnen und Schülern ausprobiert werden." Sie wird sich in den nächsten Wochen dafür einsetzen, dass das Modellprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität Osnabrück zügig gestartet werden kann und an der Universität ausgebildete Lehrkräfte bald in Wunstorf islamischen Religionsunterricht anbieten können. Dann würde im evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Neustadt-Wunstorf wieder Geschichte geschrieben.
Erster Spatenstich
Zu einem feierlichen ersten Spatenstich als Auftakt für den Erweiterungsanbau der evangelischen IGS in Wunstorf versammelten sich Vertreter von Stadt, Landeskirche und Schule. Seit die Planungen für den Aufbau einer IGS in kirchlicher Trägerschaft in Wunstorf begonnen haben, ist über den Umfang der anstehenden Sanierung diskutiert worden. Die Besucher konnten die daraus gewachsene enge Verbundenheit zwischen Stadt und Landeskirche wahrnehmen. Nach einem musikalischen Auftakt durch die Bläserklasse unter Leitung von Lothar Brodkorb präsentierte Schulleiterin Elke Helma Rothämel die Pläne der Architekten. Neben der ohnehin notwendigen Sanierung des alten Schulgebäudes wird ein Anbau entstehen, der das Schulgebäude fast verdoppelt. Helle, ansprechende Fach- und Klassenräume sind ebenso geplant wie ein großer Andachtsraum mit Blick in die Natur. Im Neubau wird die klassische Klassenraumstruktur vielfach aufgebrochen, so dass in Fluren und Nebenräumen auch Arbeitsplätze für Kleingruppenarbeit entstehen.
Bürgermeister Rolf Axel Eberhardt begann seine Grußworte mit dem Dank an die Schülerinnen und Schüler. Bei den vielen Planungstreffen konnte er selber erfahren, dass das Arbeitsklima an der evangelischen IGS sich deutlich vom dem in anderen Wunstorfer Schulen unterscheidet: „So freundlich werde ich von Schülern sonst nirgends begrüßt!“ Er erinnerte dann daran, dass der Umbau der IGS das größte Bauprojekt der Stadt Wunstorf sei, an das er sich erinnern könne. Dies ist aber gut angelegtes Geld, betonte er. Investitionen in eine gute Bildung seien zentrale Aufgaben einer zukunftsgewandten Stadt. Trotz aller anfänglichen Widerstände sei er überzeugt, dass die Kooperation mit der Kirche ein Gewinn für Wunstorf sei.
Kerstin Gäfken-Track vom Schulwerk der Landeskirche dankte ihrerseits der Stadt und Bürgermeister Eberhardt für die offene Atmosphäre bei den Verhandlungen und für die Offenheit sich auf kirchliche Besonderheiten bei der Schulplanung einzustellen. Von Anfang an habe die Landeskirche Wert darauf gelegt, in Wunstorf eine für alle Schüler offene Schule anzubieten. Barrierefreiheit sei bei der Bauplanung ebenso wichtig gewesen wie die Berücksichtigung der verschiedenen Konfessionen und Religionen im Unterricht. Die große Nachfrage der Eltern nach dieser Schulform bestätige das Engagement des Schulwerks in diese Schulform.
Gemeinsam mit der Schulleitung konnten sie dann symbolisch die ersten Spatentiche in die von vielen Schülergenerationen festgetretene Erde vornehmen.
Thomas Gleitz, Fotos: Morys