Unter den Mutigen unter uns, die diese Erfahrung schon gemacht haben, gibt es wahrscheinlich sehr unterschiedliche Bewertungen des Geschmackserlebnisses.
Unbestritten ist allerdings die besondere Fähigkeit bestimmter Austern, auf das Eindringen von Schädlingen, wie scharfen Muschelstücken oder Sandkörnern, auf brillante Art und Weise zu reagieren: Sie bilden Perlmutt, ein Sekret, das sich um die scharfen Kanten des Eindringlings legt, so dass dieser keinen weiteren Schaden verursacht. So entsteht Schicht um Schicht eine wunderschöne Perle.
Doch nicht jede Auster bildet Perlmutt. Solche Austern können sich gegen den Eindringling nicht wehren. Er wandert in ihrem weichen Gewebe umher, bis nur noch die Hülle der Auster übrigbleibt und ihr Inneres abgestorben ist.
Manche Menschen fühlen sich ebenfalls so, als ob nur noch ihre Hülle intakt ist: Ihr Inneres fühlt sich hohl und abgestorben an.
Doch auch wir Menschen haben eine besondere Fähigkeit. Wir können auf Schmerz, Verletzungen, Angriffe, Trauma und Missbrauch so reagieren, dass diese Übergriffe auf ihrem Weg der Zerstörung in unserem Inneren gestoppt werden: Wir haben die Fähigkeit und Möglichkeit zu vergeben!
Dabei ist es egal, wer auf unserer inneren Anklagebank sitzt, wer der Verursacher des Schadens ist. Ob es andere Menschen sind, die uns verletzt haben, oder ob wir uns selbst für einen Fehler oder eine falsche Entscheidung in unserem Leben nicht vergeben können. Es bleibt das Gleiche: Unvergebenheit führt zu Bitterkeit, einem gefährlichen Gift, das nach und nach alles Leben in unserem Inneren zerstört.
In Psalm 103, 11+12 heißt es: „Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so groß ist seine Gnade gegenüber denen, die ihn fürchten. So fern der Osten vom Westen ist, hat er unsere Verfehlungen von uns entfernt.“
Vergebung wird möglich, wenn ich erkenne, dass Jesus mir vergeben hat. Unwiderruflich trennt er mich von meiner Schuld. Das macht mich fähig, mich für Vergebung zu entscheiden und somit nicht zuzulassen, dass die Verletzung mein Leben zerstört.
Vergebung hängt nicht von Gefühlen ab. Sie ist meine einseitige Entscheidung, der andere muss sich dafür nicht bei mir entschuldigen. Vergebung ist auch nicht gleichzusetzen mit Versöhnung, zu der es immer zwei braucht. Vergebung bedeutet, die Angelegenheit loszulassen, und sie in die gerechten Hände unseres Gottes zu übergeben.
Manchmal müssen wir die Entscheidung zur Vergebung täglich erneuern. Schicht um Schicht legt sich das schützende Perlmutt um den Eindringling. Dann, plötzlich, durch die Kraft Gottes in unserem Leben, verschwindet der Schmerz und wir sind frei. Ich mache dir Mut: Lass nicht zu, dass der Schmerz dich innerlich zersetzt, sondern antworte mit der Perlmutt-Reaktion: Etabliere Vergebung als einen Lebensstil und erlebe Heilung und Befreiung.
Katja Sukowski, Leitende Pastorin K21 - Kirche für das 21. Jahrhundert