Liebe Leser*in,
ich kann/ mag es nicht mehr hören. Corona hier – Corona da. Weitere Kontaktbeschränkungen und steigende Todeszahlen. Ich sehe die Menschen, deren Leben durch das Corona-Virus verändert wurde. Die Erkrankten und diejenigen, die um einen geliebten Menschen trauern. All die vielen Selbstständigen, Betriebe und Läden, die ums Überleben kämpfen, weil sie nicht öffnen dürfen. Ich sehe die Schüler*innen, die sich den Herausforderungen des Homeschoolings stellen müssen, die erschöpften Eltern, die einsamen Alten. Die Lage ist schlimm und gefährlich. Ich mag mich an jedes mutmachende Wort klammern, an jede Erzählung von Menschen, die Covid-19 gut überstanden oder für sich gute Wege in der Krise gefunden haben.
Im Buch der Psalmen finden sich viele Gebete von Menschen, die eine Krisenerfahrung erleben mussten. Man spricht hier von den sogenannten Klagepsalmen, sie sind sogar die am meisten vertretene Gattung in den Psalmen. Und sie laufen alle nach demselben Schema ab: Zuerst wird Gott angerufen, z.B. „Herr, wie lange willst du mich so ganz vergessen?“ (Ps 13,2). Daraufhin schildert der Betende Gott seine lebensbedrohliche Notlage, oft wird dabei nach dem Grund und Sinn dieses Leides gefragt. Es folgt die Bitte, dass Gott die Not beenden möge. Dann schließt der Klagepsalm mit der Versicherung, dass man auf Gott vertraue, z.B. „Ich traue aber darauf, dass du gnädig bist.“ (Ps 13,6)
Vielleicht müssen wir mehr Klagen. Und damit meine ich nicht das Beschweren darüber, dass man mit den Maßnahmen a), b), c) diese Situation besser in den Griff bekommen würde. Sondern lasst uns Gott unser Leid klagen. Jede*r für sich. Wir könnten die Tradition wieder aufleben lassen und Gott viel öfter unser Herz ausschütten. Denn nichts anderes ist die Klage, als Gott zu sagen, was uns belastet. Um am Ende darauf zu hoffen, dass wir diesen schweren Weg nicht allein gehen, sondern gemeinsam mit ihm.
Marit Ritzenhoff, Luthe