Ich fuhr durch den Harz und mir fiel etwas auf, was ich schon früher – eher unterbewusst – wahrnahm: Die Friedhöfe werden immer leerer. Große Brachflächen zeigen die schwindende Bevölkerung auf dem Land, die Zunahme von Feuerbestattungen und auch, dass es Alternativen wie den Friedwald gibt. Alte Gräber werden nach Ende der „Vertragslaufzeit“ geräumt. Das ist normal.
Aber was ist, wenn nicht? Wenn Grabsteine alt werden, erzählen sie Geschichte über den Menschen, für dessen Erinnerung der Stein dort steht, aber auch über die Zeit, in der die Bestattung vorgenommen wurde.
Früher wurde IN der Kirche (für die sehr Wohlhabenden) und UM die Kirche herum (für die „normalen“ Menschen) bestattet. Der tiefere Grund dafür war, dass die Menschen, die die Kirche besuchten, für das ewige Leben der Verstorbenen beten sollten. Und – so dachte man – je dichter man an der Kirche ist, desto dichter ist man bei Gott. Die Gräber in der Kirche haben das dann noch einmal symbolartig gesteigert.
Die Menschen wollten, dass man sich an sie erinnert und für sie betet – dafür sorgten auch aufwändige und eindringliche Grabsteine. Wenn wir diese heute sehen, die von keiner Friedhofsordnung einer beliebigen Kommune zugelassen werden, blicken wir fasziniert auf.
Ein Spaziergang über einen ehemaligen und noch in Nutzung befindlichen Friedhof kann hier Besuchenden Impulse zum Nachdenken über vergangene Generationen geben. Ob es beispielsweise der Stöckener Friedhof, der Seelhorster Friedhof oder der ehemalige Idenser Friedhof ist – alle haben alte Grabsteine mit Geschichten, die sich zu lesen lohnen.
Gerade in der bevorstehenden Passionszeit denken Menschen über Leiden und Sterben nach und vielleicht auch über das eigene Ende. Bei Matthäus in Kapitel 25 heißt es: „Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.“ Wir kennen unser Ende nicht, aber gerade deshalb ist es gut, ab und an darüber nachzudenken – auch bei einem Spaziergang über einen Friedhof: Um die kommenden Tage bewusster zu erleben oder sich von Ballast zu trennen, denn die Zeit des Lebens ist ein Geschenk.
Jörg Mecke, Prädikant aus Idensen