So heißt es in dem Psalm für diesen Sonntag. Er ist der erste Sonntag in der Fasten- und Passionszeit. Passion – eine unbequeme Zeit. Wir werden konfrontiert mit dem Leiden Jesu und allen leidvollen Erfahrungen unserer Zeit; werden konfrontiert mit unseren Grenzen und unserer Schuld.
Und das seit elf Tagen in einer äußerst brutalen Weise. Seit vergangenen Donnerstag gibt es wieder Krieg in Europa. Und wir im Westen müssen uns fragen, was wir unterlassen haben, um diesen zu verhindern. Die meisten von uns sind zutiefst beunruhigt über die russische Aggression gegen die Ukraine, die für viele Menschen vielfaches Leid und Tod bedeutet. Sie bringt die Nationen Europas und darüber hinaus an den Rand der Gefahr eines Weltkrieges bringt. Was „reitet‘“ den russischen Präsidenten, dass er all dies in Kauf nimmt? Das ist einfach nur noch entsetzlich!
Erschrocken und sehr verwundert bin ich aber auch darüber, was bei der historischen Einordnung dieses Krieges zutage tritt. Man spricht davon, dass nach (acht) Jahrzenten wieder ein Krieg auf europäischem Boden entbrannt sei. Hat man denn den Balkan vergessen oder gar nicht zur Kenntnis genommen? Haben die Balkan-kriege in den 90ern des letzten Jahrhunderts nicht in Europa stattgefunden? Und ist in der Ukraine nicht bereits seit Jahren Krieg? Warum neigen wir zu all den Vergesslichkeiten? Und es stimmt ja auch nicht, dass wir seit 1945 Frieden hätten. Wie viele Menschen und Familien litten weiter unter den Kriegsfolgen? Und was ist mit dem „kalten“ Krieg? Ja, es stimmt, da flogen uns hier keine Patronen um die Köpfe und fielen keine Bomben auf den Kopf – zum Glück, und dafür bin auch ich dankbar – aber war das wirklich Frieden?
Unsere Wahrnehmungen und Umgangsweisen sind also in keiner Weise objektiv. Sie sind stark auch von dem abhängig, was wir sehen wollen und wo wir lieber nicht hinsehen. Unser Erschrecken kommt darum jetzt nicht nur aus dieser durch nichts zu rechtfertigenden Aggression Russlands kommt. Wir haben es auch unseren eigenen Verdrängungen und sicher auch unseren allzu verständlichen Hoffnungen zu verdanken, soweit würde Putin es doch wohl nicht treiben. Jetzt hat er es getan und wir müssen uns fragen, wie weit es zu treiben bereit sein wird.
Jesus hat uns gezeigt, wie man auf die teuflischen Einflüsterungen und die teuflische Sinnlosigkeit der Gewalt mit den Waffen Gottes antwortet: nämlich mit Gebet und Fasten. Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not. Der Psalmbeter erinnert daran: Beten ist mehr als nichts. Zu wissen da hört jemand zu.
Die Fasten- und Passionszeit kann insofern eine stärkende Zeit sein. Wir hören, wie Gott gerade auch in schweren Zeiten bei uns ist und uns sein offenes Ohr schenkt. Um Vertrauen und Festhalten an Gott angesichts von Leid und Anfechtung geht es gerade auch in dieser Zeit. Auch in der Not verlässt Gott uns nicht.
Superintendent Michael Hagen