Am 1. September vor 83 Jahren begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Und nun findet in Europa seit mehr als 6 Monaten wieder ein brutaler Angriffs- und Vernichtungskrieg statt. Dabei hatten doch nach dem zweiten Weltkrieg alle christlichen Kirchen dieser Erde gelobt: Krieg darf um Gottes Willen nicht sein. Allerdings weiß die Bibel, was Menschen einander antun können. Wir haben das in den zurückliegenden friedensbewegten Jahrzehnten nur außer Acht gelassen. In unzähligen Geschichten erzählt die Bibel immer wieder davon, wie der Egoismus Menschen zerfrisst, wie Macht korrumpiert. Doch so schonungslos in vielen Bibeltexten davon die Rede ist, so leuchtend sind aber auch die alttestamentlichen Friedensvisionen. Ewige Bilder eines Friedens, den Gott schaffen wird.
Jesus hat sein Leben und seinen Traum vom Reich Gottes als Erfüllung dieser Friedenvision verstanden. Der Frieden, von dem Jesus spricht, ist nicht von dieser Welt. Er ist Geschenk, nicht das Ergebnis von Waffengewalt. Widerstehe nicht dem Bösen, halte die andere Wange hin und bete für die, die Dich verfolgen. Diese weltberühmten Sätze machen Jesus von Nazareth zum ersten Denker, der mit der Unterbrechung der Gewalt durch Gewaltlosigkeit eine andere Logik als gewohnt aufzeigt. Die Entscheidung zur Gewaltlosigkeit kann ich aber niemanden aufzwingen, der gerade brutale Gewalt erlebt und wie in der Ukraine um sein Existenzrecht ringt. Dem Bösen nicht widerstehen, den Gewalttäter durch Gewaltlosigkeit bloßstellen und damit zum Erschrecken bringen über sich selbst, das muss jede und jeder ganz allein für sich entscheiden.
Was können wir aber tun, um unseren Traum als Christinnen und Christen vom Frieden trotz aller Ernüchterung nicht völlig aufzugeben? Nicht viel. Aber wir sollten in unserem Reden und Handeln keine Feindschaften vorantreiben. Wir sollten vielmehr entfeinden. Wir dienen dem Frieden, indem wir nie vergessen, dass auf beiden Seiten von Konflikten Menschen stehen. Auch der Gegner ist ein Geschöpf Gottes. Wir lernen in diesen Tagen, dass Frieden unter den Menschen und Völkern Entschlossenheit verlangt. Klugheit und Mühe. Der Frieden aber, der ein Geschenk Gottes ist, der kann Platz nehmen in unserem Herzen – ganz egal, wie die Welt brüllt. Er gibt unserem Reden und Handeln eine unzerstörbare Richtung. Wie heißt es doch in vielen unserer Gottesdienste? „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.“
In diesem Sinne
Ihr Michael Hagen, Superintendent