Strafbar macht sich, wer „bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist“. So ist es im deutschen Strafrecht geregelt. Von dieser unterlassenen Hilfeleistung hören wir immer wieder, wenn Menschen als Gaffer auf der Autobahn unterwegs sind oder wenn es an Zivilcourage bei tätlichen Übergriffen im öffentlichen Raum mangelt und niemand einschreitet und hilft.
Wir sind eine Gesellschaft der sowohl Schaulustigen als auch Weggucker geworden. Beides ist herrlich passiv, macht nicht viel Arbeit und das Leben viel ruhiger. Aber halt auch strafbar, gerade, wenn Leib und Leben in Gefahr sind und der gesunde Menschenverstand gefordert wäre.
Die unterlassene Hilfeleistung sollte sich aber noch viel mehr durchziehen in einer Gemeinschaft, in einem Miteinander. Wenn Falsches erzählt wird über Abwesende, wenn die Eskalation bei Treffen im Raum steht und Menschen wegrennen, weil sie die Situation nicht aushalten. Warum können wir da nicht einschreiten und schlichten? Warum können wir nicht Partei ergreifen? Ich kenne so viele Menschen, die sich maximal neutral verhalten, bloß nicht einmischen wollen, sondern lieber die Fahne noch in den Wind halten. Ist das richtig? Ist das ein Miteinander, dass wir haben wollen? Jedes „Opfer“ wünscht sich Menschen, die einspringen, eingreifen, die Situation entschärfen. Passiv sein, ist so gar keine christliche Tugend. Es geht ums Eingreifen, ums Tun, nicht um das passive dabei sein. Paulus schreibt an die Galater in Kapitel 6: Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann.
Unterlassene Hilfeleistung ist nur etwas für Feiglinge und Wendehälse, aber nichts für eine Gesellschaft, wo Menschen einander brauchen. Ob sie sich kennen oder nicht und egal woher sie kommen.
Jörg Mecke, Prädikant aus Idensen