„Diesmal ist es wirklich ernst!“, viele teilen diese Befürchtung. Es ist, als wären wir an einem Kipppunkt angelangt. Für die einen ist es die Erderwärmung mit ihren unübersehbar dramatischen Folgen, andere erkennen eine kulturelle Überfremdung als Gefährdungslage und gemeinsam sind viele alarmiert über die Wirkung der sozialen Medien auf die psychische Gesundheit der nachwachsenden Generation. Es bestehen Spannungen. Es ist, als stolpere man von einem Ausnahmezustand in den nächsten, so als wären wir kollektiv die letzte Generation. Alle reagieren im Gestus der Betroffenheit. Und da wir Menschen nun einmal bei Gefahr dazu neigen ängstlich zu sein, werden Lösungen entsprechend mit großem Pathos präsentiert. Schließlich sollen sie ja eine im Untergang begriffene Welt retten. Einig sind wir uns sicherlich alle darin, dass Fundamente, die bislang Stabilität gaben, bröckeln. Ansonsten aber nimmt die Einigkeit dramatisch ab. Meinungen gehen nicht nur auseinander, sie werden handgreiflich. Allenthalben kommt es zu Gewalt.
„Es kam ein Brausen vom Himmel und jede und jeder hörte die anderen in seiner Sprache sprechen.“ Das ist die Kurzbeschreibung von Pfingsten. Ein machtvolles Eingreifen von außen führt dazu, dass Fremde sich plötzlich verstehen. Dieser Eingriff von außen war weder zielgruppenspezifisch noch wurden vom Himmel spirituelle Integrationsbeauftragte entsandt, die als Spezialisten die Welt missionieren, sprich retten sollten. Nein, es waren Menschen wie du und ich. Sie ließen sich ergreifen von einem Geist, der einigt. Sie empfanden auf einmal so etwas wie Großmut. Der entsteht, wenn ich mich selbst auch einmal relativieren kann. So bildet sich eine Leichtigkeit aus, die verbindet.
An Pfingsten ist Lachen erlaubt und man kann sogar jene, die anderer Meinung sind, gern einmal „auf den Arm nehmen“. Das Sprichwort „Den anderen auf den Arm nehmen“ bedeutet ja, dass ich den anderen erst einmal „erhebe“ und seine Meinung zu verstehen suche. Und schon sprechen wir auf Augenhöhe. Der Geist der Einigkeit schenkt Leichtigkeit. Er kennt unterschiedliche Stile und will dazu verhelfen, wieder eins zu sein, sich zu einigen. Aus uns heraus fehlt uns die Kraft. Aber wir können uns dieser Kraft anvertrauen. Sie kommt von außen und verströmt in uns diesen Geist des Einssein. Das feiern wir zu Pfingsten. Und wenn es tatsächlich so ist, dass es diesmal wirklich ernst ist mit der allgemeinen Weltlage, dann ist es doch um so naheliegender, sich diesem Geist Gottes, der vereint, wieder neu anzuvertrauen.
Tilman Kingreen, Pastor in Hannover und Wunstorf