„Zünd dir ein Licht an“ stand auf der hübsch gestalteten Streichholzschachtel, die ich Anfang des Jahres geschenkt bekam. Als ich sie umdrehte, las ich: “Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg (Ps.119 V.105)“. Ich freute mich darüber, weil ich den Vers so mag. Mir kam gleich die Idee „Den möchte ich für die nächste Kerzen-Kirche nehmen“. (geschah so)…Ich sah mir den Psalm näher an und war überrascht: Es ist der längste Psalm in der Bibel mit 176 Versen, Name des Psalmbeters unbekannt.. Wie lange mag er darüber meditiert haben! Sein inniges Anliegen ist es, nicht ü b e r Gott, sondern m i t Gott zu reden. Sein Psalm liefert uns eine enorme Fülle, nicht nur an Versen, sondern auch in seiner ganz besonderen Art und Form. Luther nannte ihn das `Güldene ABC`, denn er ist als Akrostichon angeordnet nach dem hebräischen Alphabet, ein poetisches Stilmittel. Wahrscheinlich war es ursprünglich als Hilfe zum Auswendiglernen gedacht. (Ob das wohl früher von Schülern praktiziert wurde?) Oft ist die Bitte an Gott um Erquickung in Zeiten der Not zu lesen. Ich empfinde eine geheimnisvolle Kraft in seinen Worten. Es sind nicht einfach nur Buchstaben, nur Sätze auf dem Papier, sondern viele Trostworte in traurigen Zeiten. Mir gefiel, wie ein berühmter engl. Prediger diesen Psalm nannte: `Selbstgespräch einer frommen Seele`- Beim Lesen empfand er, dass dieses wundersame Spruchgedicht vor ihm lag wie ein weites Meer, dessen Wogen die vielen Verse waren, eine nach der anderen rollte dahin – ohne eine Insel zum Rasten zu erreichen. In einer neueren Kurzfassung heißt die passende Überschrift „Leitplanke meines Lebens.“ Beendet wird der Text so: Wenn du sprichst, wird es in meinem Leben licht und klar. Ich freue mich wie einer, dem der größte Wunsch erfüllt wurde. Hilf mir immer wieder, dass ich mich nicht auf meinem Weg verirre! Ich finde die `Klärung` passend dazu: Ein junger Mann kam klagend zu einem frommen Einsiedler in der Wüste: „Meine Gebete haben keinen Erfolg“. Daraufhin der Eremit: „Siehst du den schmutzigen Korb vor der Hütte? Hole damit Wasser aus dem Brunnen“. Der Mann tat es und merkte, wie alles Wasser sofort wieder aus dem Korb heraus lief und sagte: “Warum soll ich diese nutzlose Arbeit tun, man kann doch mit einem Korb kein Wasser holen“. Der Einsiedler antwortete: „Du hast zwar kein Wasser gebracht, aber der schmutzige Korb ist dabei sauber geworden. Genauso ist es mit dem Beten, auch, wenn du meinst, es bewirkt nichts, so hat es doch deine Seele gesäubert.“ Ich meine, dass Psalmen uns Einblick geben in das zum Teil sehr persönliche Gespräch mit Gott. Vielleicht fällt es uns darum auch leichter, unsere eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen dort wieder zu finden.
Ursula Wiebe, Schloß Ricklingen