Derzeit ist täglich etwas zum Thema „Kirchenaustritte“ zu hören oder zu lesen, sodass ich mal einwerfen möchte: Man kann auch etwas kaputt reden, indem nur die problematische Seite in den Fokus genommen wird – alles andere ist nicht interessant genug, um auf die Titelseite zu gelangen. Das ist kein ausgewogenes und somit ein falsches Bild von Kirche. Und derzeit muss so manches überzeugte Kirchenmitglied Spott und Hohn ertragen. Christ sein, an Gott glauben – sind Menschen dieser Sorte bald schon vom Aussterben bedroht?
Gott sei Dank: Als Theologin sehe ich diese Gefahr nicht. Religiöse Erziehung kann zwar den Glauben stärken. Doch zu messen ist Glaube von außen nicht, er bleibt ein Geschenk Gottes und wird daher nicht ausgerottet werden können. Und die Frage, ob jemand austritt oder bleibt, ist hiervon nicht abhängig.
Trotzdem beschäftigt sie mich: Kirchenmitgliedschaft Ja oder Nein? Es ist eine persönliche Frage, auch für mich als Pastorin – ob Sie es glauben oder nicht! Ich habe sie mir selbst gestellt und einige Antworten gefunden:
Ich bleibe in der Kirche. Manchmal ist diese Entscheidung verbunden mit einem „Trotzdem“ – besonders Amtsmissbrauch und sexualisierte Gewalt lassen an Kirche als Institution zweifeln. Trotzdem bleibe ich in der Kirche. Und zwar weil ich trotz gelegentlicher Hoffnungslosigkeit immer noch auf der Suche bin: nach der Quelle meines Lebens, an die ich eines Tages zurückkehren will. Weil ich spüre: Es gibt mehr als das, was ich sehen, anfassen und begreifen kann. Weil ich mich, den Menschen, nicht absolut setzen will: Es gibt noch etwas jenseits von uns, etwas, dem ich mich unterordnen und das ich ehren und loben will für alles Gute, das ich erlebe. Weil das Leben für mich ein Wunder ist, das sicher nicht mit dem Tod vorbei ist. In der Kirche kann ich all dies leben und teilen.
Und schließlich bleibe ich in der Kirche, weil sie als Institution Werte in die Gesellschaft einspeist, die das Miteinander und Füreinander stabilisieren. Weil junge Menschen religiöse Erziehung erhalten, orientiert am Leben von Jesus, auch für unsere Zeit ein starkes Vorbild. Weil Kirche immer wieder an unzähligen Orten in unserem Land Projekte in Gang bringt, die Gemeinschaft fördern, zum Umweltschutz beitragen, das Selbstvertrauen von Menschen stärken oder denen am Rande eine Vertrauensgemeinschaft anbieten. Weil Kirche sich stetig um Spenden für humanitäre Projekte kümmert. Weil Kirche eine verlässliche Arbeitgeberin ist, besonders im sozialen Bereich.
Übrigens: Ich bleibe nicht in der Kirche, weil ich als Pastorin dort mein Geld verdiene. Es ist einfach ein schöner Beruf, in dem ich Zeit dafür verwenden darf, sinnvolle Projekte durchzuführen und für Menschen in Not da zu sein.
Ihre Susanne v. Stemm, Pastorin in Bokeloh